2018: Grazalematrail (7. – 14 April)

 

Samstag, 7.4.2018:
08:55 fährt die WSB in Unterkulm ab. Ich treffe Bruno im Zuge und um 11:50 fliegen wir im Flughafen Kloten ab. Mein erster Schreck im Zug - das iPhone vergessen. Meine erste Feriengelassenheit - es geht auch ohne. Umsteigen in Madrid und Abflug 14:45, Ankunft Jerez 17:00. Julia Tress, die letztes Mal 2008 unser Tourenleiterin war, holt uns ab und fährt uns zu ihrer Finca Hotel Rural El Vihuelo (eine alte Ölmühle) in El Bosque. Hier treffen wir die einzige Mitreiterin Christine aus Deutschland, Julias Mutter Renate, die von Zeit zu Zeit aushilft, Lucca den Hofhund und Justo, den Chauffeur und Pferdepfleger. El Vihuelo ist sehr schön gelegen, in einem Olivenhain zwei Kilometer ausserhalb von El Bosque und unterhalb einem hohen Felsen, in dem Dutzende von Gänsegeier nisten. Das Zimmer ist einfach aber gut und mit einer Dusche, die wir nach längerem Warten auf heisses Wasser auch benutzen können. Das Wetter ist sehr kalt, und wir schalten die Heizung ein, welche wir fast jeden Tag zum Trocknen der nassen Reitkleider benutzen werden.

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Sonntag, 8.4.2018:
Wie jeden Tag stellen wir den Wecker auf 08:00 und geniessen das reichhaltige Morgenessen um neun Uhr. 09:45 holen wir die Pferde aus dem Morast der nahen Weide, was ein langes Putzen bedeutet. Mein Pferd «Caquito» ist ein grosser, grauer Wallach mit einem schmalen Andalusierkopf. Er ist mit dem hohen, fellbelegten Vaquerosattel und der Hackamore sehr gut zu reiten. Um 11:15 geht es los. Die 1. Etappe führt uns an El Bosque vorbei, hinein in den Parque Natural de Grazalema über die Sierra de Albarracin zum Korral an der Strasse nach Grazalema, zwei Kilometer nach Benamahoma. Der Weg führt auf steilen Ziegenpfaden aufwärts (Entlasten ist angesagt) und abwärts durch Kiefern- und Steineichenwälder. Frisches Gras wächst hellgrün zwischen den vielen Steinen. Die Pferde sind sehr trittsicher, man kann sich auf sie verlassen. An steilen und glitschigen Stellen geht es manchmal zu Fuss weiter, bis wir ausser Atem wieder aufsteigen. Glücklicherweise regnet es nicht, aber es ist kalt. Ich trage vier Kleidungschichten. Wenn die Sonne kurz durchscheint, kommt man ins Schwitzen. Um 15:30 sind wir in Benamahoma, wo wir Tapas essen. 16:30 geniessen wir im Sonnenschein einen ruhigen Vorabend mit Apéro, lesen und Zufriedenheit. Es gelingt mir in wenigen Minuten meine wichtigsten Tageseindrücke in der dreizeiligen Haiku-Gedichtform niederzuschreiben und die dazu passenden Fotos auf dem Fotoapparat zu finden. Jeden Abend fahren wir um 20:45 nach El Bosque, um in einem der zahlreichen Restaurants zu essen. Heute ist es das «El Duende», was soviel wie Kobold bedeutet. Nach meinem Wissen hat dieses Wort aber in der Flamencokultur eine viel tiefere Bedeutung.

Montag, 9.4.2018:
Im Auto fahren wir rund 20 km bis zu den Pferden. Nach dem Putzen geht es zum Aufwärmen zu Fuss der Strasse nach Grazalema entlang bis zur Area Recreativa Los Lanos del Campo. Hier trinken die Pferde. Wir reiten aufwärts über feuchte Wiesen und durch lockeren Eichenwald. Neben den beblätterten Steineichen hat es viele filigran wirkende Portugiesische Eichen, die noch blätterlos sind. Auf glitschigen und steinigen Geissenpfaden geht es bei den Montes Propios hinunter. Es ist sehr kalt und windig. In der Ferne sieht man im Osten den Puerto del Boyar, im Süden flacht das Gebirge zum Meer ab. Die Sierra del Pinar links von uns ist nebelverhangen. Vorbei an einem Ziegengehöft mit bellenden Hunden, die wie wild an ihren langen Leinen reissen, kommen wir zur Caserio Boyar. Hier weiden viele Ziegen in den Felsen. Von hier aus sehen wir endlich den Salto de Cabrero, einen markanten Doppelfelsen. Da der weitere Weg zu unsicher ist, steigen wir zur Strasse nach Grazalema hinauf. Dafür werden wir mit einer zwanzigköpfigen Steinbockherde belohnt, die vor uns die Strasse quert. Bald erreichen wir den Puerto del Boyar (1103 m), von wo es dem Quellfluss des Guadalete entlang hinunter nach Grazalema geht. Oberhalb der Stadt machen wir einen kurzen Halt und Essen im Stehen eine kleine Zwischenverpflegung. Dann marschieren wir in einem Hagelschauer zu Fuss hinunter nach Grazalema. Das weisse Dorf schmiegt längs an den Felsen. Vom Dorf aus führt ein Römerweg ins Tal. Am Weg entdecken wir die eine seltene Pinsapotanne (Igeltanne), die nur hier und in Marokko vorkommt. Auf der Landstrasse geht es hinauf, vorbei an einem roten Geierfelsen, Schafen, Korkeichen und Wiesen voller Gänseblümchen. Um 15:30 erreichen wir den Korral in der Nähe des Puerto de los Alamillos, wo die Pferde im Freien über Nacht bleiben. In Grazalema essen wir um 16:30 zu Mittag, und dann fahren wir wieder nach Hause, wo wir die Abendsonne und den Apéro geniessen. Im letzten Abendlicht ziehen ca. 30 Geier hoch ihre Runden und mitten unter ihnen sechs Gleitschirmflieger.

Dienstag, 10.4.2018:
Am Morgen ist es stark bedeckt und kalt. Wir werden heute unsere Regensachen brauchen. Um 10:15 sind wir bei den Pferden, die eine sehr kalte und stürmische Nacht hinter sich haben. Zum Aufwäreen marschieren wir lange zu Fuss, was auch uns gut tut. Wie wir aufsteigen, um dem Rio Campobuches entlang nach Montejaque zu reiten, beginnt es sehr stark zu regnen. Trotzdem reiten wir zuerst über eine Sumpfwiese, dann folgen wir dem kleinen Flüsschen, welches wir dreimal überqueren. Der Pfad ist sehr schmal und glitschigen. Julia geht in Gummistiefel voraus, um passierbare Stellen zu finden. Wie Julias Pferd ausrutscht und ihr auf den Fuss springt, entscheiden wir uns umzukehren, denn es ist zu gefährlich, und wir frieren in diesem Unwetter. Wir lassen das schöne, regenverhangene Tälchen hinter uns und erreichen den Ausgangspunkt. Nachdem die Pferde versorgt sind, fahren wir zurück. In Grazalema gibt es in der Wollmanufaktur einen kurzen Halt, damit Christine eine der berühmten Decken aus Merinowolle kaufen kann. In der Textilherstellung arbeiteten im 18. und 19. Jahrhundert in Grazalema bis 4000 Personen. Man sagt, dass Grazalema die regenreichste Stadt Spaniens ist und diesem Umstand ist das Geheimnis seiner Wolle zu verdanken, die sauberer und besser gewaschen ist als die Wolle anderer Gebiete. Die Industrialisierung brachte aber auch hier einen Niedergang. Um 15:00 sind wir in El Vihuelo, essen ein Picknick und geniessen vor dem Nachtessen eine lange Siesta.

Mittwoch, 11.4.2018:
Heute stehen die Pferde in tiefem Morast. Nach dem Putzen - Julia legt sehr viele Wert auf eine saubere Sattellage - marschieren wir bis zum Puerto de los Alamillos, wo wir die Pferde satteln und zu Fuss die Hauptstrasse hinunter bis Grazalema weitergehen. Hier erwartet uns Pacco auf seinem schönen Pferd, um uns einen neuen Weg zu zeigen, da der Fluss zu Pferd nicht passierbar ist. Nach einem Kilometer ist aber auch dieser Weg weggespült, und wir reiten wieder aufwärts. Heute ist es nicht mehr so kalt. Die Sonne scheint ein wenig. Trotzdem essen wir unsere Bocadillos im Stehen. Dann geht es weiter in Richtung des Stausees von Zahara. Schon bald entdecken wir in der Ferne Zahara de la Sierra, das weisse Dorf, welches von einem Felsen mit einem Maurenturm überragt wird. Vor uns liegt der sich windende Embalse de Zahara, welcher in den letzten Jahren wahrscheinlich noch nie so voll war. Aber es regnet ja auch seit fünf Wochen in Andalusien. Die Landschaft wechselt. Zwischen den Berghängen liegt der See und ein breites, fruchtbares Tal mit grünen Wiesen. Die Pferde bleiben am Stausee zurück. Wir fahren mitten durch ein hügeliges Gebiet voller Olivenbäumen und Ziegenherden über Prado del Rey nach El Bosque zurück. In der Abendsonne spaziere ich noch kurz zum Geierfelsen, um einen Geier möglichst nahe fotografieren zu können. Das Nachessen ist in der Casa Calvillo und beginnt für mich wie fast jeden Abend mit der üblichen Sopa de Piccadillos.

Donnerstag, 12.4.2018:
Heute reiten wir unter einem grauen Himmel dem Stausee entlang, in dem sich die Berge ebenfalls grau spiegeln. Bald fällt ein leichter Regen. Ein kurzer Sonnenschein trocknet uns. Wir umrunden Zahara de la Sierra und gelangen in eine grüne Hügelzone mit vielen Olivenhainen. Da wir weiteren Regen fürchten, verzichten wir auf das Picknick, richten kurz die verrutschten Sättel neu und essen im Stehen einen Apfel. Ein heftiger Regenschauer überrascht und durchnässt uns. Die Pferde stellen sich quer zu den starken Windböen. Wir durchreiten den Rio Guadalete und folgen dem flachen Flusstal mit hohen Schilfhalmen und Galeriewäldern. Dann geht es weiter über sumpfigen Boden, durch Bäche und Hecken. Kurz vor dem Tagesziel in der Nähe des Cortijo de Comares durchreiten wir eine grosse Schafherde mit unzähligen frischgeborenen Lämmern. Vier Lämmer liegen tot am Strassenrand. Wahrscheinlich sind sie durch die Kälte und Nässe gestorben. Die Pferde kommen auf eine Weide, und wir fahren nach Hause. Rasch ziehen wir trockene Sachen an und eilen zum verspäteten, dafür umso besseren Mittagessen mit Scampi, Tortillas und Schweinefleisch. Nach dem Nachtessen in El Bosque sind wir um 22:45 zurück und versuchen den speziell von Renate für uns gekauften Brandy. Er ist gut. Ich lese bis um Mitternacht noch das Buch «Das verlorene Labyrinth» zu Ende, damit ich es an Bruno weitergeben kann. Einen okzitanischen Satz daraus habe ich mir gemerkt: «Si es atal es atal» (es kommt, wie es kommen wird).

Freitag, 13.4.2018:
Auch am letzten Reittag regnet es unaufhörlich. Dafür ist das Putzen leichter, denn die Pferde sind gut gewaschen. Beim Warmlaufen bleibe ich beinahe in seinem Sumpfloch stecken und bin bis zu den Knieen lehmverschmiert. Der Sattel ist beim Aufsteigen auch schon nass, aber mein Regenponcho schützt mich heute gut. Es stürmt richtig. Wir reiten bergwärts durch grüne Vegetation, Sumpf, Morast und Regen. In einem kleinen mit gelbem Ginster bewachsenen Tal reiten wir an einer Finca mit Kampfstieren vorbei und folgen dem reissenden Rio Maceiete. Wir überqueren den Fluss und erreichen den Ausgangspunkt unseres Grazalematrails El Bosque. Um 14 Uhr sind wir am Ziel. Der Regen hört sogar auf, und wir können uns im Trockenen von unseren zuverlässigen
verabschieden. Trockene Kleider, ein Mittagspicknick und später ein Nachtessen warten auf uns.

Samstag, 14.4.2018:

Nach einer unruhigen Nacht - wahrscheinlich der Fisch vom Nachtessen - packen wir unsere Koffer. Zum ersten Mal zeigt sich der andalusische Himmel klar und warm. Wir fahren um 10:45 ab und erreichen den Flughafen Jerez schon um 11:30. Wir verabschieden uns von Julia und Christine, die noch drei Tage in Jerez bleibt. Dann suchen wir auf der Tafel unsere Angaben für den Flieger nach Madrid um 13:35. Es gibt ihn nicht … . Die Auskunft von Iberia kann uns nur sagen, der Flieger sei schon um 10:55 abgeflogen und sie könne nicht umbuchen. Wir haben also eine falsche Zeitangabe auf dem Ticket oder keine Änderungsmitteilung bekommen. Nach einer Stunde Telefonieren mit ebooking haben wir endlich neue Tickets für den letzten Flug um 17:40 und den Anschlussflug nach Zürich. Es klappt alles, und um Mitternacht sind wir doch noch zu Hause

Schon wieder ist eine spezielle Tour zu Ende. Trotz schlechtem Wetter haben wir jeden Tag genossen. Julia hat uns sicher durch eine anspruchsvolle, aber sehr schöne und abwechslungsreiche Naturlandschaft geführt. Sie hat gut für die Pferde und uns gesorgt. Justo hat uns sicher gefahren. Renate hat bestens für Zimmer und Essen gesorgt, und gemeinsam haben wir viele gute Gespräche gehabt und auch viel gelacht.